Was ist eine TÜV-geprüfte ZEG-Qualitätswerkstatt, und wie sieht der Beruf des Zweiradmechatronikers heute aus? Um Antworten zu finden, hat sich unser Autor Tim Böhme ins Abenteuer Praktikum gestürzt.
„Ah, unser neuer Praktikant!“, ist die freudige Begrüßung von Christian Denfeld, Eigentümer des größten Zweiradhändlers Hessens in Bad Homburg nahe Frankfurt. „Und schick siehst du aus! Aber zieh dir besser mal eine Werkstattweste an, nicht dass du dein schönes Hemd gleich schmutzig machst.“ Mist, das ging wohl nach hinten los. Dabei wollte ich mit meinem rot karierten Holzfällerhemd den Eindruck erwecken, anpacken zu können, und so kaschieren, dass ich zwei linke Hände mitgebracht habe.
Auf dem Weg in die Werkstatt, meinem Ort für das Praktikum, informiert mich Denfeld: „Ich habe heute Morgen bei der Besprechung schon angekündigt, dass da einer kommt, der…“ Ich beende den Satz für ihn: „…nur im Weg rumsteht und dumme Fragen stellt?“. „So wollte ich es nicht ausdrücken, aber dann leg mal los mit deinen Fragen“, meint Denfeld amüsiert. Okay! „Was macht denn eine TÜV-geprüfte ZEG-Qualitätswerkstatt aus gegenüber einer Werkstatt, die sich nicht ,TÜV-geprüfte Qualität‘ auf die Fahnen schreiben darf?“ Denfeld erklärt: „Durch das TÜV-Siegel bieten wir unseren Kunden verlässliche und überprüfbare Qualitäts- und Sicherheitsstandards in der Werkstattleistung. Dafür wurden Prozesse optimiert und vereinheitlicht.“ Damit entlässt er mich in die Obhut seines Werkstattleiters Florian Gerloff, Mitte 30, Zweiradmechanikermeister und seit über einem Jahrzehnt in der Radwerkstatt zuhause.
Da stehe ich nun in der ZEG-Qualitätswerkstatt und fühle mich wie mit 16, als ich von der Schule aus ein Berufsorientierungspraktikum im Radladen absolvierte. Doch seitdem ist viel Zeit vergangen, und wie ich sehe, hat auch die Digitalisierung vor der guten alten Radwerkstatt nicht halt gemacht. An jedem Arbeitsplatz steht ein Computer, und die ersten Stunden der Einarbeitung verbringe ich auch tatsächlich ausschließlich vor dem Bildschirm.

Die Digitalisierung der Fahrradwerkstatt
Wir starten an der sogenannten Dialogannahme, der ersten Etappe des standardisierten Prozesses der Qualitätswerkstatt. Hier wird der Kunde mit seinem Fahrrad in Empfang genommen, das Rad wird durchgecheckt und die anstehende Reparatur besprochen. Klick, klick, klick – am Ende dieses Arbeitsschrittes ist die Auftragsbestätigung inklusive Kostenvoranschlag und dem Protokoll des Sicherheitschecks abgespeichert. Die Zettelwirtschaft, die einst bei meinem Schulpraktikum üblich war, gibt es nicht mehr. „Das ginge auch nicht bei der Größe, Komplexität und Schlagzahl, die hier in der Werkstatt herrscht. Bis zu 250 Räder warten auf ihre Reparatur“, erklärt mir Florian Gerloff. „Es ist wichtig, jeden einzelnen Arbeitsschritt zu dokumentieren, nicht nur für die Werkstatt, sondern auch für den Kunden. Der soll schließlich nachvollziehen können, was genau wie lange gemacht wurde.“ Transparente Qualitätssicherung ist hier das Stichwort.
Wir folgen dem Rad von der Dialogannahme in die Werkstatt, wo Arbeitsschritt Nr. 2 folgt, die Reparatur- und Arbeitsvorbereitung. Die Kollegen nehmen das Rad entgegen, wenden sich zu meiner Überraschung aber wiederum erst dem Computer zu. Ein Blick ins digitale Kundenprofil, und sie wissen, was zu tun ist. Erst danach nehmen sie sich das Rad vor und checken es noch einmal durch. Dabei gleichen sie die zuvor erstellte Bestellliste defekter Teile mit dem Rad ab. Wenn alles passt, werden die Ersatzteile für die anstehende Reparatur bei den Lieferanten direkt geordert. Nun kommt das Rad ins Lager und wartet dort mit allerlei anderen Fahrradtypen, bis es dran ist. Beim Gang durch das Werkstattlager komme ich mir vor wie bei einer Visite im Krankenhaus. Zettel mit dem Arbeitsauftrag hängen an den defekten Bikes. Darauf stehen die einzelnen Wehwehchen, die die Fahrräder haben: defekte Laufräder, heruntergefahrene Bremsklötze, verschlissene Antriebe… Wie mir scheint, hängen die meisten Reparaturen mit Verschleißerscheinungen zusammen.

Vom Pit-Stopp bis zur größeren Operation
„Wie lange muss man denn auf sein Rad warten?“, will ich wissen. „Das kommt natürlich darauf an, was kaputt ist.“ Da war sie also, die erste dumme Frage, was mich Florian Gerloff zum Glück nicht spüren lässt. Ich präzisiere meine Frage, so gut es geht, um eine für mich befriedigende Antwort zu bekommen. „Also“, legt Florian Gerloff los: „Alles, was unter 25 Minuten zu schaffen ist, versuchen wir sofort beziehungsweise am selben Tag zu erledigen. Das nennen wir bei uns Pit-Stopp.“
Sobald es über eine zu erwartende Reparaturdauer von 25 Minuten hinausgeht, wird ein Termin vergeben. Die Wartezeit kann in der Hochphase zwischen März und Oktober zwar bis zu vier Wochen dauern, „aber!“, ergänzt Florian Gerloff: „Wir haben eine Mobilitätsgarantie. Soll heißen, die Qualitätswerkstatt versucht, das Rad sofort wieder fahrtüchtig zu machen, sodass der Kunde bis zum Termin sicher fahren kann. Dann bringt er sein Bike zum vereinbarten Termin in die Werkstatt, und das Rad wird innerhalb von zwei Tagen instandgesetzt.“ Klingt wie bei meiner VW-Vertragswerkstatt. Dort schaute mich die Frau an der Anmeldung mit großen Augen an, als ich spontan zum 50.000-Kilometer-Service vorbeikam, um mich dann wieder mit einem Termin in ein paar Wochen zu entlassen. Aber das ist nicht die einzige Parallele, die ich zu einer großen Autowerkstatt feststelle. Neben der digitalen Unterstützung geht es hier ausgesprochen ruhig, geordnet und sortiert zu. Die 15 Arbeitsplätze der Werkstatt sind nummeriert und standardisiert, sodass jeder Mechaniker an jedem Arbeitsplatz arbeiten könnte. Von der Ordnung des Werktisches träume ich in meinem Radkeller – und dort ziehe ich lediglich hin und wieder eine Schraube fest.

Ran ans Bike!
Jetzt geht’s an Nr. 9 der insgesamt 15 Werkstattarbeitsplätze, mein Ort für das Schnupperpraktikum. Die Anspannung steigt, denn nun muss ich zeigen, dass ich nicht nur Rad fahren, sondern auch mit einem Schraubenschlüssel umgehen kann. Meister Florian Gerloff stellt mir meinen Arbeitsnachbarn vor. „Das ist unser Auszubildender Simone Volpe im dritten Lehrjahr, er wird bald zur Gesellenprüfung zugelassen.“ Etwas schüchtern wirkend, aber sehr herzlich, stellt sich Simone vor. „Ja, Simone, wie der Frauenname“, gibt er mir zu verstehen; er hat wohl die Verwunderung in meinem Gesichtsausdruck erkannt. „Simone kannst du alles fragen“ – damit entlässt mich der Werkstattleiter Florian Gerloff in die Hände des Auszubildenden, und ich fühle mich gut aufgehoben.
Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit und – Sicherheit
Ein neuer Auftrag kommt zu uns in die Werkstatt gerollt – wunderbar, endlich wird gearbeitet! Auf dem Arbeitsauftrag des Pegasus-E-Bikes sind die Häkchen beim Software-Update und den Bremsbelägen gesetzt. Simone spannt das E-Bike gekonnt in den Montageständer und widmet sich zu meiner Verblüffung zuallererst dem Vorderrad. Mit Ruhe und Sorgfalt geht er jede Speiche durch und kontrolliert dabei den Reifen. Irritiert blicke ich erst auf den Arbeitsauftrag und dann auf ihn – was macht er da? „Einen Sicherheitscheck, ich gehe jetzt erst einmal alle sicherheitsrelevanten Teile durch. Das machen wir standardmäßig bei jedem Rad, das in die Werkstatt kommt.“ „Auch wenn ich nur den Schlauch gewechselt haben will?“, frage ich verwundert. „Bei jedem Rad, das in die Werkstatt kommt!“, unterstreicht Simone seine Aussage. Und da dies nun meine zweite dumme Frage war, schiebe ich gleich noch meine dritte hinterher: „Der Sicherheitscheck wurde doch bereits bei der Dialogannahme durchgeführt und die Mitarbeiter der Arbeitsvorbereitung haben ebenfalls einen Blick auf das Bike geworfen, oder?“ „Ja, haben sie. Wir hatten früher ein Vier-Augen-Prinzip, mittlerweile sind es acht geworden. Denn später wird noch ein Kollege mit dem Bike Probe fahren.“ Ein doppelter Doppelcheck also. „Ja, so könnte man es sehen“, stimmt Simone zu. „Wir entlassen keinen Kunden auf einem Rad, das nicht 100 % sicher ist. Das ist ein Service, den wir an jedem Rad machen, der aber für den Kunden kostenfrei ist.“ Die Logik leuchtet mir ein und begeistert mich. So langsam verstehe ich, was die Qualitätswerkstatt auszeichnet und welchen Mehrwert der Kunde durch den standardisierten Prozess und das ausgeklügelte System hat. Wenn ich beispielsweise mein Rennrad zum Schlauchwechseln in die Werkstatt bringe, dann aber meine Bremsklötze in ein paar Wochen auf Metall laufen oder mir der ausgelutschte Antrieb um die Ohren fliegt, wäre ich auch unzufrieden, da ich mein Rad erneut in die Werkstatt bringen müsste. Aber so kann ich sicher sein, dass ich mit einem einwandfreien Rad den Laden verlasse und unbekümmert fahren kann. „Den Doppelcheck machen wir übrigens auch bei der Neurad-Montage. Jedes Rad, das wir vom Hersteller bekommen und neu aufbauen, wird vom Monteur selbst kontrolliert und von einem Kollegen Probe gefahren.“ Und das für alle 5.000 Räder, die im Hochregallager zum Verkauf bereitstehen – was für ein Aufwand. So langsam wird mir bewusst, woher der Begriff „Qualität“ in der ZEG-Qualitätswerkstatt kommt. Ganz einfach: wo Qualität reinfließt, kommt Qualität raus. Das weiß auch der Kunde zu schätzen, der sein geliebtes Rad in verantwortungsvollen Händen weiß. Entsprechend mache ich mich mit Sorgfalt ans Hinterrad, um die Felge wie auch den Reifen nach Bruchstellen zu untersuchen. Safety first!

Fahrradmechaniker war gestern
Über Vorder- und Hinterrad gebeugt, setzen wir unser Gespräch fort und ich kann Simone nach seinem Berufsfeld ausfragen. Ich staune erst einmal nicht schlecht, denn der Beruf des Zweiradmechatronikers setzt sich aus vier Bausteinen zusammen: Mechaniker, Elektroniker, Informatiker und Verkäufer – und all das wird in dreieinhalb Ausbildungsjahren erlernt. Klar, die Arbeit an Fahrrädern ist komplex wie nie zuvor. Ob, Dreigangrad, Fullsuspension-Mountainbike, E-Bike und Carbon-Rennrad mit elektronischer Schaltung: All das findet seinen Weg in die ZEG-Qualitätswerkstatt. Und da nicht jeder alles in Perfektion beherrschen kann, findet ein reger Austausch zwischen den einzelnen Mechanikern statt. So lernt auch Simone Volpe nicht nur von seinem Ausbilder Florian Gerloff. Die ganze Werkstatt hilft, den neuen Mann auszubilden. „Jeder, mit dem was er am besten kann“, meint Florian Gerloff.

Und das merkt man: In der Werkstatt herrscht ein geschäftiges, aber ausgesprochen freundliches Klima. Jeder hilft jedem, und so wird auch einmal die eigene Arbeit unterbrochen und der Schraubenschlüssel zur Seite gelegt, um dem Kollegen bei einem komplexeren Problem zu helfen. Das weiß auch der Auszubildende Simone zu schätzen: „Wir sind hier ein Team, alle arbeiten zusammen. Wir verstehen uns als Einheit.“ Das merke ich, als ich Florian Gerloff und seinen Auszubildenden mit weiteren Fragen löchere und Antworten quer aus der Werkstatt zurückkommen: Jeder das, was er am besten weiß! Bei so viel Unterstützung fühl ich mich schnell aufgehoben im Werkstatt-Team und mache mir nichts aus meinen zwei linken Händen, die etwas ungeschickt arbeiten.

HANDWERK MACHT GLÜCKLICH, …
… so heißt es in einer Image-Kampagne für handwerkliche Ausbildungsberufe. Das spüre ich spätestens, als ich nach getaner Arbeit mit den Jungs ein Feierabendbier trinke. Alle haben etwas geschafft und beenden zufrieden den Tag. Das gibt mir auch Simone mit auf den Weg. Als ich wissen will, warum er sich für die Ausbildung zum Zweiradmechatroniker entschieden hat, entgegnet er mir: „Menschen kommen mit einem Problem am Fahrrad zu mir, und ich löse es für sie. So etwas hat mich schon immer fasziniert. Außerdem kann ich als Fahrradmechaniker meinen Beitrag für eine bessere, mobilere Welt leisten.“ So tiefgründig hatte ich das noch gar nicht betrachtet. Ein Problemlöser für eine sicherere Welt auf dem Fahrrad. Warum eigentlich nicht? Und ich nehme den letzten Schluck meines wohl verdienten Feierabendbiers.

Dieser Text erschien zuerst in WE+Bike No1. Bilder: Sabrina Zelle
Tim lebt den Radsport. Fast 20 Jahre als MTB-Profi unterwegs, zählte er zur Weltelite im Marathon Bereich, Entwickelte mit BULLS Gravelbikes, forciert für den BDR Indoorcycling und testet E-Bikes. Der ehemalige Deutsche Meister bringt seit Jahren seine Erfahrung aufs Papier, seit 2019 auch als Chefredakteur von WE+Bike.