Halb E-Bike, halb Sportwagen: Die A-N.T. könnte dem urbanen Gütertransport ein ganz neues Gesicht geben. Das komplett in Deutschland entwickelte und gefertigte Lastenfahrzeug macht vor, wie es auch ohne „Sprinter“ gehen könnte.
Wer wissen will, wie die urbane Mobilität von morgen aussieht, muss nur nach Bamberg kommen. Dort, in einer kleinen Halle im Vorort Memmelsdorf, die bald gegen eine größere eingetauscht werden soll, ist ein siebenköpfiges Team, das in der nächsten Zeit wohl deutlich wachsen wird, konzentriert bei der Arbeit. Wir stehen in einer Montagewerkstatt, die mithin das letzte Glied einer ganzen Produktionskette mit Schweißerei und Pulverbeschichtung ist und das fertige Produkt hervorbringt, um das es an dieser Stelle geht: die A-N.T., das dreirädrige elektrische Lastenfahrzeug, das das Zeug dazu hat, den Lieferverkehr im städtischen Raum zu revolutionieren.

Dabei ging es anfangs gar nicht darum, alles auf den Kopf zu stellen, erzählt Christoph Bantle, Gründer der b & p engineering mobility GmbH und sozusagen Erfinder der A-N.T.. „Wir haben uns mit dem Thema Lasten-E-Bike zunächst nur deshalb beschäftigt, weil wir bei der Optimierung eines Motors, der speziell dafür konzipiert wurde, helfen sollten. Als wir den Motor im Fahrbetrieb testen wollten und uns dafür Räder beschafft hatten, bemerkte ich, wie fahrdynamisch schlecht sie fuhren. Es gab keine Elektrofahrräder, die geeignet wären, als Arbeitsgerät im Dauereinsatz zu bestehen“, so der Ingenieur, der damit das große Manko herkömmlicher Cargobikes auf den Punkt bringt: Konventionelle Radtechnik mit ihrem Fokus auf geringem Gewicht ist einfach nicht geeignet für den professionellen Einsatz im Transportgewerbe. „Ein Paketdienst kann sich keine Ausfälle eines Fahrzeugs erlauben“, erklärt Bantle – doch mit Lastenfahrrädern ist das bisher kaum möglich. Im Wochentakt verschlissene Bremsbeläge, Reifendefekte und ausgeleierte Antriebskomponenten erschweren und verteuern den Betrieb; kein Wunder also, dass konventionelle Konzepte für die KEP-Branche (Kurier-Express-Paketdienst) unattraktiv sind.
Bei der A-N.T. zählt daher reibungsloser Einsatz über viele Jahre hinweg, so Bantle: „Für die Fahrzeuge gibt es einen Service- und Wartungsplan, bei dessen Einhaltung wir vorhersagen, ohne Ausfälle einen zuverlässigen Dauerbetrieb gewährleisten zu können.“ Das ist freilich nur mit Technologien aus dem Automobilbereich zu schaffen. Für Entwickler Bantle kein Problem,
schließlich begann er seine berufliche Laufbahn als Techniker bei Porsche, woraus sich auch in anderer Hinsicht Synergien ergaben. „Die Fahrdynamik bei einem zweispurigen Rad ist ganz anders als die eines Fahrrades. Man muss völlig anders denken.“ Dieser Einsicht folgend, holte sich Bantle Rat vom legendären Porsche-Fahrwerksentwickler Manfred Bantle, seinem Vater. Der Pensionär brachte gleich ein paar Ingenieure mit, die gemeinsam an Radaufhängung und Fahrdynamik tüftelten und der A-N.T. ihre heutige Form gaben. Und die weicht so ziemlich in allen Details vom herkömmlichen Lastenfahrrad ab.
„Genau vier Teile an der A-N.T. stammen noch von Fahrradteile-Zulieferern“, erklärt Franziska Haidl: „Cockpit, Sattel, Kurbel und Pedale.“ Beim Projektstart vor anderthalb Jahren, erzählt die Chefingenieurin, sei es noch um die Überarbeitung eines vorhandenen Lasten-Dreirads gegangen, doch von dem ist nichts mehr übrig: „Alle anderen Teile stammen vom Motorrad oder sind zu 100 Prozent Made in Germany.“ Von der Automotive-DNA zeugt bereits das Gewicht des Lasten-Dreirads: Die komplette A-N.T. wiegt etwa 65 Kilo; zwei Drittel davon macht der Rahmen aus. Dieser hat, bevor es in Memmelsdorf an die Montage geht, eine kleine Rundreise hinter sich: Von der Schweißerei im 300 Kilometer entfernten Mannheim werden die Rahmen zum Pulverbeschichten nach Lichtenfels gebracht, von wo aus sie ins ländliche Unterfranken reisen.

„Die Qualität begann in der Entwicklung und setzt sich in der Montage der Fahrzeuge fort“, begründet Entwickler Bantle die Entscheidung, die Fertigung der A-N.T. in Memmelsdorf selbst in die Hand zu nahmen – übrigens nicht seine alleinige Entscheidung: „Die Zweirad Einkaufsgenossenschaft, die ZEG, hat uns den Auftrag dafür erteilt. Dass wir diesen erhalten haben, liegt vor allem in der Qualität begründet, aber auch der Effizienz, die wir bieten können. Gerade bei der Qualität geht die ZEG in der Fahrradbranche kompromisslos innovative Wege wie kein anderer.“
Jeder Arbeitsschritt ist genau definiert; alle Teile werden genau in der Reihenfolge und Anzahl auf der Montagefläche deponiert, in der sie verbaut werden. „Ähnlich wie zu den Anfängen der Serienfertigung in der Automobilindustrie bauen wir die Fahrzeuge an einer Art Fließband auf.“ Etliche Komponenten werden eigens für die A-N.T. angefertigt, etwa die Nabenkörper. Diese zeigen beispielhaft, wie weit dieses Lastenrad vom herkömmlichen Bike entfernt ist: Die Räder werden wie beim Auto seitlich aufgesteckt, anstatt in Rahmen oder Gabel gefädelt werden zu müssen. Die Kraftübertragung vom starken Mittelmotor besorgt eine solide Motorradkette; geschaltet wird mit einem dreistufigen, in den Motor integrierten Getriebe. Herzstück des Lastendreirades ist allerdings die patentierte Parallelogrammlenkung, die einen extrem kleinen Wendekreis und große Agilität erlaubt, dabei aber optimale Fahrstabilität ermöglich. Das ergibt eine gute Prise Fahrspaß, und den kann man als Zusteller im stressigen Liefergeschäft gut gebrauchen.
Noch ist die Lastenrad-Flotte ziemlich klein – die Produktion der ersten 100 Fahrzeuge läuft gerade und erste Härtetests im Dauereinsatz bei verschiedenen Zustell-Dienstleistern sind sehr erfolgreich verlaufen. Für den Anfang plant Christoph Bantle mit der Fertigung von zwei A-N.T. pro Tag, doch die Nachfrage nach dem Transportfahrzeug mit einer Nutzlast von 160 Kilo (60 kg vorne, 100 kg hinten) und einem Ladevolumen von einem Kubikmeter dürfte bald steigen. Die urbane Mobilität von morgen ist vielleicht
schneller da, als man zu hoffen wagt …
Mehr Infos unter ant-cargo.com
Caspar Gebel, Jahrgang 1968, sitzt seit 35 Jahren auf dem Rennrad. Der Fachjournalist und Sachbuchautor arbeitet für Velomotion und WE+Bike.